Mit nichts als einem "weißen Blatt Papier", so startete vor knapp einem halben Jahr die dritte Initiative des Co:llaboratory Internet & Gesellschaft. Ohne Vorgaben oder Tabus - so wollte das Expertengremium über das umstrittene Thema Urheberrecht im Internet diskutieren und dabei seine eigene Vision eines Regelungssystems für informationelle Güter entwickeln. Wie solch ein modernes Urheberrecht im Jahr 2035 aussehen könnte, wurde auf dem Abschluss-Workshop im Audimax der Berliner European School for Management and Technology (ESMT)demonstriert.
Vor 120 Gästen aus Politik und Verwaltung stellte Till Kreutzer als inhaltlicher Leiter der Initiative die Erkenntnisse einer Arbeitsgruppe des CoLabs vor. Die Arbeitsgruppe, die mit acht Urheberrechtsexperten verschiedener Professionen aus dem Kreis der CoLab-Experten besetzt war, hatte ein Thesenpapier mit "Leitlinien für ein Regelungssystem für kreative informationelle Güter" erarbeitet. Hierin stellen die Autoren eine Reihe von Kernthesen für ein modernes Urheberrechtssystem zu den zentralen Aspekten (Regelungszweck, Schutzrechte und Schrankenbestimmungen, Urheberpersönlichkeitsrechte,Schutzdauer) auf.
In dem Papier wird zunächst die Bedeutung des Regelungssystems für die Wissensgesellschaft hervorgehoben. Der vorrangige Zweck rechtlicher Regelungen auf diesem Gebiet müsse in der Förderung von Kreativität liegen. Bei der Ausgestaltung des Regelungssystems müsse dabei mehr als bislang darauf geachtet werden, dass ein wirksamer und gerechter Ausgleich zwischen allen involvierten Interessen gewährleistet werde. Die Belange von Kreativen, Verwertern, Vermittlern und Nutzern seien im Grundsatz gleichrangig zu bewerten. Nur so könne das Regelungssystem seiner Zielsetzung gerecht werden. Im Übrigen sei bei der Ausgestaltung (zum Beispiel der Schutzrechte und Schrankenbestimmungen bzw. der Schutzdauer) mehr als bislang auf ökonomische Erkenntnisse als auf idealisierende Vorstellungen von einem "naturrechtlichen geistigen Eigentum" abzustellen. Im gleichen Zuge müssten die Urheberpersönlichkeitsrechte wie das Namensnennungsrecht - die gerade in einer "Aufmerksamkeitsökonomie" und angesichts der "Kreativität der Massen" von rundlegendem Interesse für die Kreativen sind - gewahrt und in ihrer Bedeutung gestärkt werden.
Nach kontroverser Debatte stellte am Abend Professor Dreier vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) seine sieben Thesen zum Thema vor. Die Diagnose: es bestünde "Einigkeit über die Krise des Urheberrechts". Streit gebe es aber über die Richtung der notwendigen "Reparaturen". Eine Lösung dürfe weder einseitig auf die Interessen der Nutzer noch die der Urheber abstellen.
Fast ungeteilte Zustimmung für das Papier des Co:llaboratory gab es von den anwesenden Vertretern der Politik. Der Teilnehmer der FDP fand einige Vorschläge "sexy". Der Vertreter der Linken lobte, dass sowohl die Rechte von Nutzern als auch von Urhebern gestärkt würden. Die Grünen zeigten sich davon überzeugt, dass die Zeit gegen die Verfechter des alten Rechts spiele. "Wer nicht progressiv mitmacht, wird überholt", so deren netzpolitischer Sprecher Konstantin von Notz. Dies sei aber in der Politik längst "voll angekommen".
In der abschließenden Panel-Diskussion wurde unter anderem auch die Rolle des EU-Rechts sowie die Möglichkeit einer standardgebenden Regulierungsinstanz diskutiert. Die drei Panelisten Dreier, Kreutzer und Helberger waren am Ende einig: In 30 Jahren werde das Urheberrecht “anders, besser und fairer” gestaltet sein.
Eine erste ausführliche Aufbereitung des Co:llab-Workshops findet sich auch bei heise online.
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