Engagiert im CoLab – 5 Fragen an Per Christiansen
CoLab ist eine offene ExpertInnen- und Interventionsplattform, in dem die Wechselwirkungen zwischen Internet und Gesellschaft unter Einbeziehung unterschiedlicher Perspektiven betrachtet und mit möglichst vielen Stakeholdern diskutiert werden sollen – interdisziplinär und praxisbezogen. Doch wie funktioniert das? Heute fragen wir Per Christiansen – Experte der 3. Initiative.
In welcher Initiative des CoLab hast du dich engagiert?
In der 3. Initiative zum Urheberrecht für die Informationsgesellschaft.
Was genau hast du innerhalb der Initiative gemacht?
Ich habe an den Veranstaltungen und Workshops teilgenommen. Zudem habe ich in einer kleinen Arbeitsgruppe ein experimentelles Papier mit Leitlinien für ein Regelungssystem für kreative informationelle Güter mit verfasst. Dieses Papier war innerhalb des Expertenkreises der Initiative ziemlich umstritten. Gefallen hat mir an dem Papier aber die ungewöhnliche Fragestellung, wie ein Urheberrecht in seiner idealen Form bar jeglicher Pfadabhängigkeiten im Jahre 2030 aussehen sollte.
Wie empfandest du das Konzept des Multi-Stakeholder-Dialogs?
Grundsätzlich sind Perspektivenvielfalt und die gründliche Analyse und Berücksichtigung sämtlicher betroffener Interessen natürlich unverzichtbar. Gleiches gilt für die Verzahnung von Wissenschaft und Praxis.
In der Initiative habe ich allerdings gelernt, dass ein Multi-Stake-Holder-Dialog die Gefahr in sich birgt, Gedanken und Ansätze zu früh im Keim zu ersticken, bevor sie hinreichend konkret in eine diskussionsfähige Form entwickelt wurden. Das Urheberrecht ist strukturell darauf angelegt, einen begrenzten „Kuchen“ an Einnahmen unter den an kreativen Prozessen Beteiligten zu verteilen. Entsprechend hat jeder, der an diesem Verteilungsverfahren in irgendeiner Form beteiligt ist, einen strukturellen Anreiz, Gedanken und Ansätze, die eine Gefahr für die gegenwärtige Position darstellen könnten, möglichst frühzeitig zu bekämpfen. Das hat man in den Diskussionen der Initiative deutlich gemerkt.
Diese Situation, die im Grunde auch die rechtspolitische Behandlung des Urheberrechts widerspiegelt, ist allerdings fatal, da sie eine Entwicklung blockiert. Entwickelt sich das Urheberrecht aber nicht gegenüber den Realitäten weiter, gewinnt am Ende niemand.
Für think tanks wie das Colab könnte es eine Option darstellen, Austauschprozesse im dialektischen Wechsel zwischen Wissenschaft und jeweils bestimmten Interessengruppen zu moderieren, so dass einerseits die Perspektivenvielfalt, andererseits aber auch eine weitreichendere Konkretisierung der Vorschläge gewährleistet werden.
Was nimmst du von deinem Engagement im CoLab mit?
1. Nicht nur die Substanz, also die materiellen Sachfragen, sondern auch der Prozess dahin ist wichtig.
2. Wir müssen das Urheberrecht noch viel grundlegender hinterfragen, als das bisher schon geschehen ist.
Würdest du dich wieder engagieren, vielleicht auch zu anderen Themen?
Der Expertenkreis und die Veranstaltungen im Colab waren ziemlich hochkarätig und inspirierend. Insofern würde ich eine Teilnahme stets in Betracht ziehen. Mir käme es allerdings auf das Thema an. Wenn man so ein Internet-Dinosaurier wie ich ist und seit Mitte der 90er in der Internet-Branche arbeitet, dann kann man manche Diskussionen, die sich fruchtlos alle paar Jahre vor den eigenen Augen drehen, nicht mehr ertragen. Ich interessiere mich zunehmend für die Kräfte und Anreizsituationen, die dafür bestimmend sind, dass eine (rechtliche) Situation im Internet so ist, wie sie ist. Was mir an dem CoLab gefällt ist der unbedingte Wille der Veranstalter, “out of the box” zu denken.