Engagiert im CoLab – 5 Fragen an Till Kreutzer
Das CoLab ist eine offene ExpertInnen- und Interventionsplattform, in dem die Wechselwirkungen zwischen Internet und Gesellschaft unter Einbeziehung unterschiedlicher Perspektiven betrachtet und mit möglichst vielen Stakeholdern diskutiert werden sollen – interdisziplinär und praxisbezogen. Doch wie funktioniert das? Heute fragen wir Till Kreutzer – inhaltlicher Leiter der 3. Initiative.
In welcher Initiative des CoLab hast du dich engagiert?
In der 3. Initiative zum Urheberrecht für die Informationsgesellschaft. In der Initiative haben wir neue Modelle für ein Schutzsystem für kreative Güter diskutiert und untersucht. Die grundlegende Frage war, wie ein Urheberrecht aussehen sollte, das den Anforderungen der Digitalen Welt gewachsen ist.
Was genau hast du innerhalb der Initiative gemacht?
Ich war inhaltlicher Leiter. In dieser Eigenschaft habe ich die Diskussionen, Workshops und Veranstaltungen geleitet und inhaltlich vorbereitet. Zudem habe ich einer – aus dem großen Expertenkreis der Initiative gebildeten – kleinen Arbeitsgruppe vorgesessen, die ein kompaktes Papier mit Leitlinien für ein Regelungssystem für kreative informationelle Güter erarbeitet hat. Hierin finden sich konzeptionelle Ansätze für eine Neuordnung wesentlicher Fragen des Urheberrechts.
Wie empfandest du das Konzept des Multi-Stakeholder-Dialogs?
Ich finde das Prinzip gut und wichtig. Bei einem Thema wie dem Urheberrecht zeigen sich jedoch auch deutlich dessen Grenzen. Das Urheberrecht ist eine extrem kontroverse und seit vielen Jahren diskutierte Materie. Anders als bei vielen neueren „Netzthemen“ gibt es hier festfahrene Fronten, starke wirtschaftliche Interessen und Traditionen, die sich teils über 100 Jahre und mehr gebildet haben. Dadurch wird ein freier Dialog über das Urheberrecht in einem mehr oder weniger offenen Multi-Stakeholder-Dialog, in dem alle Interessengruppen vertreten sind, äußerst schwierig. Die verhärteten Fronten und der unnachgiebige Lobbyismus sind bei diesem Thema kaum zu überwinden. Es ist kaum möglich, einen ergebnisoffenen Dialog zustande zu bringen. Umso weniger ist es angesichts dieser Umstände gelungen, zu konkreten, allseits konzertierten Lösungsvorschlägen für Änderungen des Systems zu kommen. Entsprechend haben wir beschlossen, für diese Arbeit, die letztlich in den o.g. Leitlinien mündete, eine kleinere Gruppe zu bilden. Dies wiederum hat zu viel Kritik und Vorwürfen geführt, dass bestimmte Interessengruppen bei diesem wichtigen Teil der Initiative nicht einbezogen wurden, dass andere Interessen überrepräsentiert waren usw. Letztlich haben einige Akteure der großen Gruppe eine Gegenmeinung zu den Leitlinien formuliert, die im Abschlussbericht als „dissenting opinion“ veröffentlicht wurde. Es gab also keinen Konsens. Das führt zu der Erkenntnis, dass die Erfolgsaussichten von Multi-Stakeholder-Dialogen stark vom gewünschten Ergebnis abhängen. Steht der Dialog an sich im Vordergrund, ist das Modell generell sehr sinnvoll und kann viel Gutes bewirken. Will man aber auf konkrete Arbeitsergebnisse, Agenden oder weitere Schritte hinaus, stößt das Modell bei solch umkämpften Themen wie dem Urheberrecht an seine Grenzen.
Was nimmst du von deinem Engagement im CoLab mit?
Es war eine interessante Erfahrung, die viel Einblick in die Funktionsweise verschiedener Diskussionsmodelle eröffnet hat. Ich habe daraus allerhand über die Möglichkeiten und Grenzen eines solchen Dialogs gelernt und würde viele Dinge heute anders machen.
Würdest du dich wieder engagieren, vielleicht auch zu anderen Themen?
Das kommt stark auf das Thema und darauf an, ob ich Zeit habe. Sollte es noch einmal eine Initiative zum Urheberrecht oder verwandte Themen geben, könnte ich mir das vorstellen. Derzeit arbeite ich aber an meinen Kernthemen in anderen Kontexten weiter, das nimmt mich erheblich in Anspruch.