Engagiert im CoLab – 5 Fragen an Matthias C. Kettemann
Das CoLab ist eine offene ExpertInnen- und Interventionsplattform, in dem die Wechselwirkungen zwischen Internet und Gesellschaft unter Einbeziehung unterschiedlicher Perspektiven betrachtet und mit möglichst vielen Stakeholdern diskutiert werden sollen – interdisziplinär und praxisbezogen. Doch wie funktioniert das? Heute fragen wir Matthias C. Kettemann – wissenschaftlicher Leiter der 5. Initiative.
In welcher Initiative des CoLab hast du dich engagiert?
Ich war wissenschaftlicher Leiter der 5. Initiative des CoLab zu “Menschenrechte und Internet” von Jänner bis März 2012.
Was genau hast du innerhalb der Initiative gemacht?
Ich habe die wissenschaftliche Leitung der Initiative innegehabt und habe, unterstützt von einem hervorragenden CoLab-Team um Isabel Gehren (nun mit Irrepressible Voices aktiv) und Sherry Basta, dafür gesorgt, dass die Initiative Hand und Fuß hat. Von der Durchsicht der Bewerbungen bis hin zum Auftaktworkshop in der Heinrich-Böll-Stiftung, vom Arbeitswochenende bis zum öffentlichen Abschlussworkshop mit Top-Vortragenden gab es immer viel und Spannendes zu tun. Gerade Menschenrechte im Internet werden ja kontrovers verhandelt. Dabei ist es so einfach: Alle Menschenrechte, die offline gelten, gelten auch online. Natürlich stellen sich neue Herausforderungen bei der Anwendung und Durchsetzung – diesen haben wir uns mit Verve und Sachverstand gewidmet. Stolz bin ich auf den konkreten Mehrwert für die Debatte, den wir geschaffen haben. Unser Abschlussbericht ist immer noch hochaktuell. Unsere fünf zentralen Thesen (deutsch und englisch) weiterhin gültig. Und unsere “Ansage” lese ich bis heute gerne. Besonders interessant waren auch die Interviews, die wir mit herausragenden Theoretikern und Praktikern des Menschenrechtsschutzes online geführt haben. Mir ist meines mit Frank La Rue, dem UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit und Autor eines Maßstab setzenden Bereichts über deren Schutz im Internet, in äußerst guter Erinnerung. Beeindruckend war auch, dass Max Senges, der wichtige Ideen einbrachte, einen der Väter des Internets, Vint Cerf, für ein Statement gewinnen konnte.
Wie empfandest du das Konzept des Multi-Stakeholder-Dialogs?
Besonders interessant war es für mich, mit TeilnehmerInnen zu arbeiten, die ganz unterschiedliche fachliche und erwerbsbiographische Hintergründe aufwiesen. Das hat den Prozess stark beeinflusst und befruchtet. Da sich jede(r) erklären musste, verfiel niemand (ok, fast niemand) in berufssprachlichen Code. Für Diskussionen um die Zukunft des Menschenrechtsschutzes online ist die Vermittelbarkeit und Übersetzbarkeit der Argumente aller Beteiligten von zentraler Bedeutung. Nun werden Multistakeholder-Ansätze im globalen Internet Governance-Kontext oft verklärt. Nur weil Staaten keine zentrale Rolle mehr haben, heißt das noch nicht, dass Individuen diese einnehmen können; oftmals sind es Unternehmen, die normative tragend Rollen einnehmen. Im Kontext des CoLab war davon jedeoch nicht zu spüren. Keine Forschungsgruppe, an der ich zuvor teilnehmen durfte, war derart engagiert im Ansatz, offen in der Durchführung und ideen- und erkenntnisreich im Ergebnis.
Was nimmst du von deinem Engagement im CoLab mit?
Wie wichtig es, dass alle an der Entwicklung des Internets (im weitesten Sinne) Beteiligten miteinander reden, sich gegenseitig respektieren und durch wechselseitige Ideentransfer die Menschenrechte im Internet besser und aktiver schützen als zuvor. Das Internet ist ein Fazilitator für den Schutz der Menschenrechte auf der ganzen Welt. Aber wir Menschen stehen in der Pflicht, dieses technologische Potenzial auch zu realisieren.
Würdest du dich wieder engagieren, vielleicht auch zu anderen Themen?
Auf jeden Fall. Ich habilitiere mich zur normativen Ordnung des Internets und viele der Fragen, die vom CoLab über diverse Medien und Events hervorragend aufbereitet werden, sind direkt mit meinen Forschungen verbunden. 2013 habe ich für das CoLab Österreich eine ähnliche Initiative mitgeleitet und Fragen der Menschenrechte im Internet neu aufbereitet. Auch hier war das Ergebnis eine Publikation: Netzpolitik in Österreich. Außerdem habe ich 2013 ein Buch über die Zukunft von Individuen im Völkerrecht veröffentlicht (The Future of Individuals in International Law), das auch von meinen Arbeiten im CoLab inspiriert wurde. Wie wichtig Menschenrechte, und gerade das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit sind, habe ich in einem eben erschienen Buch – Freedom of Expression and the Internet – nachgewiesen. Menschenrechte im Netz bleiben ein Thema. Die CoLab-Initiatve von 2012 war ihrer Zeit voraus und hat dazu wichtige Wegmarken gesetzt.