von Dr. Benjamin Becker
Am 10. Oktober 2013 war es endlich soweit: Nach monatelanger Vorarbeit gipfelte die 9. Collaboratory-Initiative in einer spannenden Abschlussveranstaltung in den Berliner Räumen der
Heinrich-Böll-Stiftung. Das Programm unter der Überschrift “Internet, Trade and Democracy: Transatlantic relations under the shadow of surveillance” war zweigeteilt: So präsentierten Vertreter der
Expertengruppe zunächst ihre Ergebnisse, um dann zur Keynote von
Glyn Moody und der anschließenden Panel-Diskussion überzuleiten. Im Zentrum der Veranstaltung standen dabei stets das geplante
Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) - oder allgemeiner das schon länger diskutierte Konzept eines
Transatlantic Free Trade Agreement (TAFTA) - und die sich ergebenden Konsequenzen für die Gesellschaften Europas.
Die Expertengruppe äußerte sich sehr skeptisch gegenüber TTIP und kritisierte hierbei insbesondere die vorrangig ökonomische Sicht des Vorhabens (deren Auswirkungen laut
Dr. Thieß Petersen ohnehin nicht so positiv wie oft angenommen seien) sowie die mangelnde Transparenz bei dessen geplanter Umsetzung. Katharina Kahmann zog in diesem Zusammenhang Parallelen zur ACTA-Debatte und wurde hierin später von Glyn Moody bekräftigt. Während
Jan Mönikes über die Problematik der lokalen Durchsetzbarkeit von Recht referierte und für eine transnationale Zusammenarbeit plädierte, warfen
Bastian Koch und Markus A. Kirchschlager die Frage nach einer neuen Kultur im und durch das Internet auf. Der transnationale Aspekt wurde somit durch die trans-/ oder crosskulturelle Komponente erweitert, die - so die Meinung zahlreicher Experten - in der TTIP-Debatte deutlich zu kurz komme.
Bruno Kamm brachte dies schließlich in seinem Film
Was ist TAFTA? auf den Punkt, der das fehlende Mitspracherecht der Zivilgesellschaft anprangerte.
Auf die Frage der nationalstaatlichen Grenzen in der globalisierten Welt wurde gleich mehrfach verwiesen. Glyn Moody konzentrierte sich in seiner sehr informativen Keynote zu TTIP auf zwei Kritikpunkte: das sogenannte investor-state dispute settlement (ISDS) und den Geheimcharakter der Verhandlungen. Während ersteres dafür sorge, dass Unternehmen aufgrund der neuen Klagemöglichkeiten gegen Regierungen stets reicher würden und gewissermaßen über dem Gesetz stünden, mache letzteres die NSA und andere Geheimdienste zum heimlichen Verhandlungspartner, was wiederum zu einer Aushöhlung der Demokratie führe. Moodys knackiges Lösungskonzept lautete vor diesem Hintergrund: “ISDS out, transparency in.”
Nach einer Videoeinspielung der Europaabgeordneten Marietje Schaake, die ebenfalls für mehr Zivilpartizipation plädierte (“Let’s use the internet to let people participate in TTIP negotiations”), rundete das
hochkarätig besetzte Panel die Diskussion ab. Hierbei waren auch erstmals an diesem Tag weniger kritische Stimmen zu hören: einerseits von
Dr. Joachim Bühler, der das transatlantische Handelsabkommen aus
BITKOM-Sicht begrüßte; andererseits von
Dr. Stormy-Annika Mildner (SWP), die gewisse geschlossene Räume für politische Entscheidungsprozesse einforderte. Auf die finale Frage, wer denn nun wirklich von TTIP profitiere, antwortete denn auch einzig Keynote-Speaker Glyn Moody zynisch-negativ (“states and big companies”). Optimismus wollte aber andererseits auch bei keinem der Diskutanten aufkommen.